Absage Veranstaltungen

Rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Absage von Veranstaltungen

Die gegenwärtige Diskussion um geeignete Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie hat die grundsätzliche Frage wieder aufgeworfen, unter welchen Bedingungen bzw. mit welchen Folgen geplante Konzertveranstaltungen in Kirchen oder anderen Spielstätten abgesagt werden können. Diese Problematik geht einher mit der Frage, ob und in welchem Umfang in diesem Fall der Veranstalter schadenersatzpflichtig ist.
Die folgenden Ausführungen nehmen hierzu aus gegebenem Anlass Stellung.

Ob der Veranstalter den Mitwirkenden (z.B. Solisten, Orchestermusiker oder andere Ensembles) und auch den Besucher/innen schadensersatzpflichtig ist, entscheidet sich wesentlich danach, wer die Veranstaltung absagt und aus welchen Gründen dies geschieht.



Grundsatz der Vertragstreue

Für die Absage einer Veranstaltung trägt grundsätzlich der Veranstalter das vertragliche Risiko. Hier gilt der allgemeine Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind ("pacta sunt servanda"). Verträge unterliegen dabei keinen formellen Voraussetzungen, sodass nicht nur schriftliche Vereinbarungen sondern ausdrücklich auch mündliche Abreden als wirksame Verträge anzusehen sind. Maßgeblich ist dabei der Wille der Parteien, sich rechtlich binden zu wollen. 

Der Veranstalter trägt in allen Fällen die Kosten, wenn der Grund der Absage aus seinem Verantwortungsbereich stammt, wenn also die beabsichtigte Spielstätte nicht genutzt werden kann oder die Veranstaltung aus Gründen mangelnder Besetzung (z.B. wegen Krankheit) nicht stattfinden kann. Entscheidet sich der Veranstalter für die Absage der geplanten Veranstaltung und somit in eigener Veranlassung und Entscheidung, gegenwärtig z.B. aus Sorge um die Gesundheit der Besucher, so sind alle Besucher berechtigt, Schadenersatz im Form von Erstattung des Kaufpreises für die Eintrittskarten zu verlangen. Auch die gebuchten Musiker (Solisten, Orchester usw.) können vom Veranstalter Schadenersatz verlangen, weil sie auf die Einhaltung des Engagementvertrages vertrauen durften (und möglicherweise auch anderweitige zeitgleiche Engagements absagen mussten).

Der Veranstalter haftet demnach in den vorgenannten Fällen auf allen Seiten des Vertragsverhältnisses.



Behördliche Untersagung / höhere Gewalt

Ein anderer Fall liegt hingegen vor, wenn (und nur dann!) eine Veranstaltung von behördlicher Seite (z.B. Gesundheitsamt oder Ordnungsbehörden) abgesagt wird bzw. Veranstalter verpflichtet werden, die geplante Veranstaltung nicht durchzuführen. Im Fall sogenannter "höherer Gewalt" oder einer begründeten Unzumutbarkeit der Durchführung sind Schadenersatzansprüche gegen den Veranstalter grundsätzlich ausgeschlossen.

Höhere Gewalt bezeichnet in diesem Zusammenhang ein externes Ereignis, das keinen betrieblichen Zusammenhang aufweist und auch nicht durch äußerste Sorgfalt abwendbar ist. Sofern beispielsweise aufgrund der aktuellen Infektionsgefahr des Coronavirus eine offizielle behördliche Weisung erfolgt, dass eine Veranstaltung abzusagen ist, würde ein Fall höherer Gewalt vorliegen. Der Grund der Absage läge dann nicht mehr im Verantwortungsbereich des Veranstalters, sodass er Schadenersatzansprüche berechtigt abwehren könnte.

Auch Epidemien und Seuchen können unter Umständen als höhere Gewalt angesehen werden. Höhere Gewalt haben beispielsweise das Amtsgericht Augsburg (Urteil vom 9.11.2004 - 14 C 4608/03) im Hinblick auf den Ausbruch des SARS-Virus und das Amtsgericht Homburg (Urteil vom 2.12.1992 - 2 C 1451/92-18) bezüglich eines Ausbruchs von Cholera entschieden.

Die Unzumutbarkeit ist dem Vorliegen höherer Gewalt rechtlich gleichzustellen. Beides ist allerdings im Rahmen einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalles mit höchster Sorgfalt und äußerster Vorsicht zu entscheiden, da fehlerhafte Erwägungen zu erheblichen Schadenersatzpflichten des Veranstalters führen. Ein Restrisiko für den Veranstalter kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden. 
Öffentliche Warnungen

Abzugrenzen ist das Vorliegen höherer Gewalt von bloßen öffentlichen Warnungen, Sofern eine öffentliche Stelle, beispielsweise das zuständige Gesundheitsamt oder das Robert Koch Institut, „nur“ eine Warnung für Veranstaltungen ausspricht, ist es zweifelhaft, ob höhere Gewalt vorliegt. 
Bei einer Absage der Veranstaltung auf Grundlage einer Warnung ist das Risiko für die Veranstalter groß, dass die Künstler Honoraransprüche gegen die Veranstalter durchsetzen können. 



Rechtsfolgen / Abänderungen des Vertrages 

Sagt ein Veranstalter eine Kulturveranstaltung ab, ohne dass höhere Gewalt vorliegt, muss er - sofern dies vom Schuldner beansprucht wird - in der Regel das Honorar von Künstlern zahlen, die für die Veranstaltung gebucht wurden gemäß §§ 649, 615 BGB. Künstler müssen sich aber ersparte Aufwendungen oder zusätzlich erhaltenes Honorar anrechnen lassen. Das heißt, dass sich der Honoraranspruch der Künstler reduzieren kann. Ersparte Aufwendungen sind beispielsweise Reisekosten, die entgegen der ursprünglichen Honorarkalkulation doch nicht anfallen. 

Die Durchführung der Veranstaltung zu einem Ersatztermin geht als milderes Mittel einer Absage vor. Nur für den Fall, dass keine Verschiebung möglich ist, ist eine vollständige Absage zulässig mit den bereits ausgeführten Folgen für Veranstalter oder Besucher.
Wird die Veranstaltung lediglich verschoben und nicht ersatzlos abgesagt, behalten die zuvor verkauften Eintrittskarten in der Regel ihre Gültigkeit und können zum Ersatztermin als Eintrittskarte verwendet werden. Rechtlich ist eine Verschiebung dahingehend einzuordnen, dass es den Vertragsparteien zumutbar ist, die Veranstaltung stattfinden zu lassen und lediglich den Termin abzuändern.

Statt des Anspruchs auf Lösung vom Vertrag, den der Veranstalter im Falle höherer Gewalt hat, bleibt dem Veranstalter somit ein Recht auf Anpassung des Vertrages. Der Vertrag bleibt bestehen, sodass sich an den grundsätzlichen Zahlungspflichten nichts ändert. Demzufolge erfolgt eine pauschale oder "automatische" Erstattung der Kosten für Eintrittskarten nicht. Die Vertragsanpassung geschieht in Bezug auf das Datum. Dem Käufer steht aber das Recht auf Rückgabe der Eintrittskarte zu, wenn er den angepassten Termin nicht wahrnehmen kann oder will.

In Bezug auf die Ausführenden (Solisten, Orchester etc.) bestehen die geschlossenen Verträge auch bei einer Terminverschiebung grundsätzlich fort. Die Ausführenden als Vertragspartner sind berechtigt und verpflichtet, zum neuen Datum ihre Pflichten zu erfüllen. Können sie dies nicht, weil sie beispielsweise andere Verpflichtungen haben, sind sie zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. Sofern die Absage der Veranstaltung in den Risikobereich des Veranstalters fällt, können aber Ansprüche auf Schadenersatz entstehen.



Fazit

Liegt nur eine öffentliche Warnung vor, so bleiben grundsätzlich die vertraglichen Honoraransprüche der Künstler gegen einen Veranstalter bei der Absage einer Veranstaltung bestehen. Ersparte Aufwendungen (Reisekosten) können die Honoraransprüche reduzieren.

Der Anspruch eines Künstlers auf ein Ausfallhonorar besteht grundsätzlich nicht, wenn ein Fall höherer Gewalt durch behördliche Untersagung einer Veranstaltung vorliegt und es keine vertragliche Regelung zu einem Ausfallhonorar bei dem Vorliegen von höherer Gewalt gibt.

Grundsätzlich empfiehlt sich bereits Vertragsschluss die Vereinbarung, wie im Falle einer Absage der Veranstaltung verfahren werden soll (z.B. konkrete Vereinbarung eines Ausfallhonorars und dessen Höhe, Ausschlussabreden etc.).
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